Beruf:
Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Didaktik und Schulforschung in der inklusiven Bildung
Jahr der Promotion:
2019/2020
Thema der Promotion:
Diversität im Mathematikunterricht der Grundschule – Theoretische Grundlegung und empirische Untersuchungen zu den Gelingensbedingungen inklusiven Mathematiklernens
Weshalb haben Sie sich entschieden zu promovieren?
Ich hatte schon während des Studiums großes Interesse an wissenschaftlicher Arbeit, war seit dem Bachelor studentische Hilfskraft. Bei meinem ‘zukünftigen’ Doktorvater, Friedhelm Käpnick, hatte ich schon mehrere Veranstaltungen absolviert und während einer Vorlesung in meinem letzten Semester fragte er mich, ob ich wen kenne, der bei ihm promovieren möchte. Ich habe dann mich selbst vorgeschlagen, da ich wusste, dass ich mit ihm gut klarkomme. Außerdem lag mir das Thema sehr – inklusiver Mathematikunterricht. Es war eine gute Entscheidung.
Haben Sie das Referendariat absolviert?
Ich habe es leider nicht absolviert und das hat mich auch später mal in Schwierigkeiten gebracht. Ich würde es daher unbedingt empfehlen. Sowohl vor der Promotion als auch danach hatte ich mich dafür beworben, aber es kam immer eine interessantere Stelle an einer Universität.
Was waren Ihre nächsten Schritte nach der Promotion?
Ich hatte schon immer ein großes Interesse an der Erziehungswissenschaft und bin noch während meiner Promotionsphase gefragt worden, ob ich eine Habilitation in der Erziehungswissenschaft schreiben möchte, verbunden mit einer Post-Doc Stelle. Die Entscheidung musste schnell getroffen werden. Leider lief dieser Schritt nicht so gut und ich wollte schnell wieder woanders hin. Da ich aber kein zweites Staatsexamen hatte, meine Stelle in Münster nicht mehr da war und der Vorbereitungsdienst aus familiären Gründen zu diesem Zeitpunkt nicht in Frage kam, war ich ziemlich verzweifelt. Ich habe dann eine Studienratsstelle an der Universität Wuppertal bei Ralf Benölken erhalten, ein großes Glück.
Wieso sind Sie an der Universität geblieben?
Im Grunde habe ich schon während meines ersten Semesters gewusst, dass mich die Uni und das wissenschaftliche Arbeiten interessiert. Ich kannte den Beruf der Dozierenden bzw. Wissenschaftler*innen vorher gar nicht und war total fasziniert. Im zweiten oder dritten Semester habe ich mich um eine Hilfskraftstelle bemüht und konnte viele Kontakte an die Uni knüpfen, lernte viele Promovierende usw. kennen. Als ich dann die Chance hatte, eine WiMi-Stelle anzutreten, wusste ich, dass bei meinem Doktorvater schon einige zufrieden und erfolgreich promoviert hatten und konnte so die Situation ganz gut einschätzen. Die negative Erfahrung nach der Promotion konnte ich so auch ganz gut verdauen, weil ich bereits sehr gute Erfahrungen in Münster gemacht hatte. Auf diese Weise blieb die Universität immer mein Traum.
Weshalb haben Sie sich für Ihren jetzigen Beruf entschieden?
Wie schon erwähnt, hatte ich ein großes Interesse an der Erziehungswissenschaft, genauer, an der Inklusionspädagogik und der inklusiven Didaktik. Darüber habe ich meine Bachelor- und Masterthesis geschrieben, in dem Bereich habe ich promoviert. So richtig dafür entscheiden kann man sich allerdings nicht, man wird ja von anderen Leuten berufen. Insofern hat sich der Beruf eher für mich entschieden.
Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Stelle gekommen?
An meiner alten Universität sollte ein sonderpädagogischer Studiengang etabliert werden. Da bin ich schon etwas hellhörig geworden, da ich sehr gerne dort studiert habe und die Arbeit auch immer toll fand. Die entsprechende Stelle in der Mathematikdidaktik wurde sehr früh besetzt und ich hatte nicht das Gefühl, mich da bewerben zu können. Interessanterweise wurde deutlich später eine Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Didaktik und Schulforschung in der inklusiven Bildung ausgeschrieben, als Juniorprofessur mit einem Tenure Track, also mit einem planbaren und relativ sicheren Weg zur W2-Professur. Da habe ich mich dann beworben und es hat geklappt. Ich muss aber unbedingt dazu sagen, dass ich mich auf deutlich mehr Professuren beworben habe, bei denen es nicht funktioniert hat. Ich würde sagen, dass das relativ normal ist. Es gehört zu diesem Beruf dazu, zu scheitern.
Welche Hauptaufgabenbereiche umfasst Ihre aktuelle Stelle?
Ich vertrete das Gebiet der Didaktik und Schulforschung in der inklusiven Bildung in Forschung und Lehre, das heißt: Ich schreibe Projektanträge und führe Forschung in diesem inhaltlichen Bereich durch. Außerdem habe ich Vorlesungen und Seminare im sonderpädagogischen Studiengang und in anderen Lehramtsstudiengängen. Ich wirke in Kommissionen mit, betreue derzeit eine Doktorandin und viele Studierende. Außerdem schreibe ich Artikel für Forschung und Praxis, aktuell arbeite ich an einem Lehrbuch. Ich halte Vorträge auf Tagungen an ganz verschiedenen Orten, mache Fortbildungen für Lehrkräfte und versuche mich selbst fortzubilden, indem ich viel lese und anderen Wissenschaftler*innen zuhöre. Die Mathematikdidaktik habe ich dabei nicht ganz zur Seite gelegt, aber ich kann nun etwas darüber hinausgehen.
Inwiefern ist Ihre Promotion für Ihre aktuelle Anstellung von Nutzen?
Also zunächst einmal ist die Promotion ein Nachweis, wissenschaftlich arbeiten zu können. Sie ist unbedingt notwendig für eine Dauerstelle an der Uni, ohne geht es nicht. Inhaltlich hat sie mir auch sehr geholfen, da sie thematisch sehr nah an meinen jetzigen inhaltlichen Aufgaben in der Lehre ist. Der Schreibprozess hat mich gezwungen, einen großen Berg Arbeit über einen längeren Zeitraum hinweg zu organisieren, etwas, das nicht gerade meine Stärke ist. Die Erfahrungen, die ich während dieser Zeit gemacht habe, helfen mir, Studierende bei ihren Arbeiten zu betreuen. Außerdem ist das Buch, das aus der Promotion entstanden ist, zumindest in der Inklusionspädagogik relativ gut aufgenommen worden und hat dazu beigetragen, dass ich mich in dem Diskurs etablieren konnte.
Haben Sie einen Tipp für Promovierende, die einen ähnlichen Weg einschlagen möchten?
Ich weiß nicht, ob ich es empfehlen kann, die Disziplin gleich mehrfach zu wechseln. Es besteht die große Gefahr, nichts wirklich richtig zu machen, weil man ja in mehreren Bereichen gut informiert sein muss. Gleichzeitig wird man auch immer eher ‘fremd’ wahrgenommen; die Community der Mathematikdidaktik sah mich als Erziehungswissenschaftler; die Erziehungswissenschaftler:innen als Mathematikdidaktiker. Mir hat es geholfen, dass es Personen gibt, die sehr überzeugend ‘zwischen’ den Disziplinen stehen und über den Tellerrand schauen, wie etwa Nina Bohlmann, Uwe Gellert, Marei Fetzer und auch mein Doktorvater Friedhelm Käpnick, der stets enge Beziehungen zu Erziehungswissenschaft und Psychologie gepflegt hat. Es gibt auch Erziehungswissenschaftler:innen, die in Fachdidaktiken wechseln. Wenn man das Risiko wirklich eingehen möchte, sollte man versuchen, in den entsprechenden Diskursen wahrgenommen zu werden. Wer also in die Erziehungswissenschaft möchte, muss zu den entsprechenden Tagungen fahren, in den pädagogischen Zeitschriften publizieren und Kontakte zu Erziehungswissenschaftler*innen suchen. Die Gefahr dabei ist immer, von der Fachdidaktik nicht (mehr) gesehen zu werden. Das gilt natürlich umgekehrt für die Mathematikdidaktik ebenso.